Manche Pläne funktionieren einfach nicht
Das Ende der Buchtour: Nirgendwo in Deutschland
Vor einigen Jahren hat unsere Nichte Paula uns eine jiddische Karte geschickt auf der zu lesen war: „Der Mensch plant und Gott lacht.“
Wir haben viele Stunden gebraucht, unsere Buchtour zu planen. Friedrich und Rebecca, unsere Musiker, die uns dabei begleiteten, haben die gleiche Zeit aufgewendet.
All diese Vorbereitungen machten sich bezahlt. Wir hatten schon 12 Veranstaltungen hinter uns und nur noch vier waren übrig. Plötzlich merkte Julie, dass ihr linkes Auge blind war. Wir wohnten zur Zeit in einem wunderbaren Hotel in Düsseldorf, direkt am Rhein. Ich war mit meinem Neffen und seiner Familie in die Altstadt zu einem Jazzfest gefahren und Julie hatte sich entschlossen, einen ruhigen Spaziergang am Rhein entlang zu machen.
Einen Teil der Zeit, die sie allein verbrachte benutzte sie dazu, ihre Freundin Janet in Nevada anzurufen. So ganz nebenbei erwähnte Julie das Problem mit ihrem Auge und wollte es eigentlich weiter nicht erwähnen.
Janet drängte darauf, dass Julie sofort etwas unternemen sollte. Also hat sie mich angerufen, was eigentlich ein guter Plan war, denn ich war nun zum Abendessen in Begleitung von zwei Ärzten und einer Krankenschwester. Wir haben Julies Symptome kurz besprochen und kamen zum Schluß, das sie warscheinlich eine Blutung im Auge hatte. Matthias und ich haben uns ein Taxi bestellt und er sagte dem Fahrer, dass es sich um eine „Blaulicht-Situation“ handelt. Der Taxifahrer sagte mit dickem russischen Akzent, dass er zwar kein blaues Licht habe, aber er fuhr dann so, als hätte er eines. Er fuhr also mit 70 durch die Stadt, wurde aber nicht geschnappt.
Los in Krankenhaus
Wir holten Julie ab und fuhren sofort in die Uni Augenklinik. Matthias kannte den riesigen Campus sehr gut, und erklährte, dass seine Kinder immer nachts am Wochenende krank würden.
Wir waren die einzigen im Wartezimmer. Es war jetzt 22 Uhr an einem Feiertags-Wochenende. Ein junger Augenarzt– Matthias sagte er sah nicht älter als 14 Jahre aus– untersuchte Julies Auge sorgfältig. Ich übersetzte, was er sagte, so dass Julie wußte, was los war.
„Ich muß Ihnen leider sagen, dass Sie eine Netzhautablösung haben,“ sagte er Julie mit besorgter Miene. Er bot an, für den nächsten Morgen einen Operationstermin zu machen. Wir haben ihm dann alle möglichen Fragen gestellt, eingeschlossen, was passieren würde, wenn wir sofort zurückkehren und die Operation in Amerika machen ließen.
Der Junge Arzt rief nun seinen Vorgesetzten an, der dann innerhalb von 30 Minuten ankam. Er war Professor an der Uni-Augenklinik und sah auch nicht älter als 30 aus. Er wiederholte die Untersuchung, kam zur gleichen Diagnose und beantwortete unsere Fragen geduldig und auf Englisch. Matthias hatte viele gute Fragen. Als Julie dann noch fragte, ob die Strategie der Operation der internationale Gold-Standard sei, hielt der jüngere Arzt bestürzt den Atem ein: Er hatte es wohl nicht erwartet, dass man irgendwelche Zweifel gegenüber seinem Professor andeutet. Der Herr Professor nahm ihr das nicht übel und erwiederte, dass das hier eine Universitäts Krankenhaus sei und ja, das ist der Gold-Standard der Behandlung.
Nach kurzem Hin und Her beschlossen wir, dass wir sofort abreisen sollten. Was uns schließlich dazu brachte, war die Tatsache, dass bei der Operation eine Gasblase in Julies Auge eingeführt werden mußte, die es verhindert, dass sie für mindestens 5 Wochen fliegen darf.
Wir haben dann Janet in Nevada angerufen, die unsere Rückreise stornierte und uns auf einen neuen Flug umbuchte. Wir kamen zwei Tage später in San Francisco an und am nächsten Tag um 12:30 wurde sie operiert. Um 17:00 habe ich sie dann wieder abgeholt.
Also unsere sehr erfolgreiche Buchtour mit erstaunlichen neuen Erkenntnissen, Bonbons, Wein- und Blumengeschenken war plötzlich zuende. Wir werden nun noch ein paar Blogs schreiben. Bitte bleibt dabei.
Julie Freestone und Rudi Raab waren in Deutschland auf einer Buchtour mit ihrem Roman Der Stolperstein. Sie kehrten zurück in die USA mit herlichen Erlebnissen, voll von deutschen Speisen und mit großer Dankbarkeit für alle, die sie getroffen und unterstützt hatten.