Drei deutsch-jüdische Paare im Keller
Die 4. Station: Freiburg
Auf der Fahrt von Esslingen nach Freiburg fühlten wir uns fast wie Trouristen. Rudi war noch nie um südlichen Schwarzwald gewesen. Die Landschaft war dramatisch und erinnerte mich ein wenig an die Sierra Nevada zwischen Kalifornien und Nevada. Das einzige, was eigentlich nicht in die romantische Landschaft paßte waren die lansamen Lastzüge aus Rumänien, Polen, und Ungarn. In Freiburg sollten wir ein weiteres deutsch-jüdisches Paar kennenlernen.
Eigentlich hat es nur ein paar Minuten gebraucht, bis wir wieder im Buchtour Gang waren. Als wir unser Auto in der Nähe des Hotel Minerva auspackten, entdeckten wir zwei Stolpersteine im Gehweg. In den wenigen Tagen, die wir bisher in Deutschland waren, hatten wir schon einige gesehen. Da der Zweck unserer Reise die Vorstellung unseres Buches Der Stolperstein ist, scheint es, dass die Stolpersteine uns auf den einzelen Etappen begrüßen.
Ergreifende Denkmäler
Wenn immer ich einen Stolperstein sehe, könnte ich weinen. Eingraviert in die Bronzeplakette ist normalerweise ein Name des Opfers, das Geburtsdatum und in wenigen Worten das Schicksal: Nach Auschwitz verschleppt, oder in ein anderes KZ und dann das Datum ihrer Ermordung. Einfach nur diese Worte vor dem Haus, aus dem die Opfer stammen, beschreibt das Leben in diesen dunklen Zeiten. Glücklicherweise überlebte das Ehepaar auf den zwei Stolpersteinen in der Nähe unseres Hotels.
Die Veranstaltung in Freiburg wurde durch das Deutsch-Amerikanische Institut und dem Englischen Seminar der Universität Freiburg bewerkstelligt. Als wir zu Fuß auf dem Weg zum Perterhofkeller waren, entdeckten wir Plakate mit Gerhards Bild rund um das Gebäude. Das ist das einzige Bild, das von Gerhard als Erwachsener existiert.
Ein relativ kleines Publikum mit erstaunlichen Leuten
Eigentlich waren wir an der Zahl der Zuhörer enttäuscht. Aber so ist das, wenn man gerade von Speyer kommt, wo wir fast 200 hatten. Aber eigentlich war das nicht schlecht, denn wir hatten im Moment sehr wenig Bücher. Man kann eben schlecht über ein Buch reden, und hat dann nichts zu verkaufen.
Wie schon einmal war es weniger wichtig, wie wenige im Publikum saßen, als wer im Publikum war. An den Fragen und Beiträgen konnte man sofort sehen, dass Freiburg eine Universitätsstadt ist. Eine Dame bat mich in das Buch, das sie kaufte, hineinzuschreiben: An die Familie Bernstein.—Viele Mitglieder meiner Familie trägt den selben Namen. Ich wünschte ich hätte Zeit gehabt, und natürlich auch die sprachliche Voraussetzung, mich länger mit ihr zu unterhalten.
Eine sehr faszinierende Person am Abend war Marlis Meckel, Koodinierende des Projektes „Stolpersteine in Freiburg“. Das Projekt war was sie sich zu ihrem 60. Geburtstag geschenkt hatte. Das war vor 16 Jahren. Sie erzählte uns dass sie nie etwas vom Holocaust gehört hatte, als sie jung war. Dann begann sie zu lesen und lernen. Mit ihrem Mann besuchte sie Auschwitz und befreundeten sich mit jemandem, der dort arbeitete. Jetzt übersieht sie mehr als 350 Stolpersteine und die Erinnerung an die Opfer der Nazis ist für sie eine Lebensaufgabe geworden.
Als das Ende unseres Programms nahte, hörte Ich zu als Friedrich Edelmann und Rebeccah Rust spielten. Auf der Leinwand hinter ihnen war das Bild Gerhards. Was hätte er von diesem Abend gehalten?
Nach der Veranstaltung saßen wir zusammen Ich und Rudi, Rebecca und Friedrich und das andere Ehepaar. Rebeccah dachte, dass das doch eigentlich eine historische Gelegenheit war: Drei jüdische Frauen mit ihren deutschen evangelischen Männern.
Auf dem Rückweg kamen wir an der Stelle vorbei, wo die Synagoge von den Nazis zerstört worden war. Auf dem Grundriß wurde ein flaches Reflektionsbecken installiert. Manche Mensche bedauern, dass an warmen Tagen Kinder im Wasser spielen. Nicht alle unserer Gruppe mochten das Becken, für mich aber war es bewegend, besonders in der Abenddämmerung.
Wir waren wieder erstaunt, wie verschieden dieser Besuch war, im Gegensatz zu unserem Ersten 1990. Damals vermieden es die Deutschen über den Holocaust, die Nazis und den Verlust der Juden zu sprechen. Heute hält fast jede Stadt die schmerzliche Erinnerung an die Vergangeheit wach.
Julie Freestone und Rudi Raab waren auf einer Buchtour in Deutschland mit ihrem Roman Der Stolperstein. Er ist ein literarischer Stolperstein für Rudis Onkel Gerhard Raab.