Innerhalb der Buchtour: Sind wir eigentlich meschugge?
Irgendwo in Deutschland am 12. Mai 2018-07-17
Wann immer wir jemandem sagten, dass wir auf eine Buchtour mit unserem Roman Der Stolperstein gingen, dann klang uns das unglaublich exotisch. Irgendwie stimmt das ja auch. Es ist wirklich komisch wenn wir, zwei Senioren in unseren 70iger Jahren, vor Fremden stehen, an Orten, von denen selbst Rudi noch nie etwas gehört hatte. Und dann erzählen wir unsere Geschichte und die von Gerhard, Rudis Onkel, der sich den Nazis wiedersetzt hatte.
Als Julie gefragt wurde, als die Reise nun unmittelbar bevorstand, ob sie sich darauf freut, sagte sie nur, dass sie Bühnenfieber hatte. „Bei dem Plan gibt es zuviele bewegliche Teile.“, oder so ähnlich, sagte sie.
Wenn wir Leuten sagten, dass wir 16 feste Termine auf der Tour hatten, fragten sie ob unser literarischer Agent oder der Verlag das alles arrangiert hatte. Nein. Wir hatten das Buch in unserem eigenen Verlag, Alvarado Press, herausgebracht. Friedrich Edelmann und Rebeccah Rust, die deutschen Musiker, die uns fast überall hin begleiteten, hatten einige Daten arrangiert. Den Rest haben wir selbst gemacht.
Glücklicherweise stellte sich heraus, dass soviele Ereignisse und Erlebnisse dieser Reise so überraschend positiv und unvergesslich waren, dass die irritierenden Kleinigkeiten ganz in den Hintergrund traten.
Also: um soetwas wie eine Catharsis zu schaffen, beschreiben wir einige der beweglichen Teile.
Wieviele Bücher müssen wir bestellen
Also, es ist eine Buchtour und offensichtlich wollen einige Zuhörer auch das Buch von uns kaufen. Wir machten eine Tabelle und nahmen eine Landkarte, auf der wir festnagelten, wohin wir Bücher liefen sollten. Bücher sind schwer und es macht wenig Sinn 100 Kilo Bücher in einen Koffer im Flugzeug zu transportieren. Wenn wir zuwenig Bücher hätten, dann könnten wir sie nicht verkaufen. Wenn wir zuviele hätten, dann bleiben wir auf ihnen sitzen. Deutsch-sprachige und unverkaufte Bücher wieder nach Amerika zu transportieren macht auch keinen Sinn. Unsere Bücher sind „print-on-demand“ d.h.sie werden erst gedruck und zu der Menge, wenn sie bestellt sind. Unsere Bücher werden in Kentucky in Amerika gedruckt. Da sie von Amazon kommen und wir Amazon Prime haben, brauchen wir weder Zoll noch Fracht zu bezahlen. Wir mußten nun genau planen.
Also ging ein Karton zu Iso Haug-Schoenhaar nach Esslingen, ein Karton ging zu unseren Musikern nach Rodt unter Rietburg, ein weiterer nach Düsseldorf zu meinem Neffen Matthias und der letzte nach Hamburg zu einem Buchladen.
Weniger als eine Woche auf der Reise merkten wir, daß wir noch mehr Bücher brauchten. Am 3. Mai, mitten in der Nacht haben wir dann mehr bestellt. Natürlich mußten die Bücher dann erst gedruckt und nach Deutschland geschickt werden. Wir mußten nun den Verkauf einschrenken, denn wir hatten nur noch 12 Bücher und zwei Lesungen, bis wir in Düsseldorf Nachschub bekamen. Das Ganze sah wie eine militärische Aktion aus. Das ist natürlich ein gutes Problem, aber statt abends Schafe zu zählen haben wir Bücher gezählt.
Das Auto
Als wir am Anfang der Planung standen, dachte Rudi, dass wir den Zug nehmen sollten.Dann aber dachten wir an unsere Koffer und die Kartons von Büchern und die Koordination von Fahrplänen. Wir haben daher beschlossen einen Mitwagen zu nehmen. Das waren zwar weniger bewegliche Teile, aber wir hatten Gräuelgeschichten von Bekannten gehört, die zusätzliche Versicherung kaufen mußten. Alle diese Geschichten stellten sich dann als wahr heraus.
Wir kamen in Frankfurt nach 12-stündigem schlaflosem Flug an und fanden eine Schlange von verärgerten Kunden am Hertz Schalter. Sie hatten keine Autos, selbst für Kunden, wie wir, die eine feste Buchungsnummer hatten. Uns wurde kurz mitgeteilt, dass wir mindestens eine Stunde warten mussten, bis Autos zu Verfügug standen. Wir hatten noch zwei Stunden Autobahnfahrt vor uns und mußten dann nehmen, was sie hatten und nicht was wir bestellt und bezahlt hatten. Am nächten Tag waren wir für eine Lesung gebucht. Obwohl das Auto vier Räder hatte, war es viel kleiner als wir gebucht hatten. Es war ein Spielzeiug. Wir haben es genommen und wie gewarnt wurden wir gezwungen Extra Versicherung zu kaufen, die wir nicht brachten und was Hertz uns in den USA auch versichert hatte. Wir zwängten unser Gepäck und später auch noch Bücherkartons in dieses Spielzeig. Wir haben also bezahlt und entwarfen dann ärgerliche Protestschreiben an Hertz.
Als wir dann ein paar Tage später das Auto gegen ein anderes austauschten hatte wir neue Probleme: Der Kofferraum war zwar ein wenig größer aber Rudi hatte keine Ahnung wie man den Wagen fährt. Der Wächter im Parkhaus gab ihm eine schnelle Lektion mit stark russisch gefärbtem Bayrisch. Alles zu kompliziert. Vielleicht wäre der Zug besser gewesen.
Das Rock Star Syndrom
Als die verschiedenen Termine sich herauskristallisierten, begann Rudi zu murmeln, dann zu meckern und schließlich zu klagen. „Genug!“ Wir hörten also mit 16 Teminen auf, von denen einer dann abgesagt wurde. Wie sich dann doch herausstellte waren 15 Temine in 5 Wochen viel zu viel. Es ist ja nicht nur die Fahrerei, das Hotel, die Lesung sondern auch die interessanten Unterhaltungen und die Drinks hinterher.
Wie gesagt, das ist eigentlich ein schönes Problem, aber als wir dann schließlich wieder im Hotel ankamen, war Julie viel zu aufgeregt um zu schlafen. Das ist dann eine gute Gelegenheit, sich Sorgen zu machen, wieviele Bücher wir noch brauchen. Wir haben völliges Verständnis wie Leute, die so ihren Lebensunterhalt verdiehnen, Drogen nehmen, um zu schlafen, um wieder aufzuwachen und dann Musik zu machen. Wir nehmen nichts aber wir essen auch nicht mehr um zehn Uhr abends.
Die Sprache
Für uns war das eine epische Irrfahrt. Rudi hat nicht nur das Buch übersetzt, sondern auch unser Programm. Wir hatten das seit Monaten geübt und Julie hat auch Deutsch gelernt. Eine gute Bekannte, Ingrid Mueller, die ja auch eine der Lektoren unserer deutschen Ausgabe war, hatte hier als Deutschlehrerin gearbeitet. Sie hat mit Julie gearbeitet um die Sprachmelodie und die Kadenz auszuglätten. Sie hat auch geholfen unser Programm so umzuschreiben, dass Worte, die Julie einfach nicht aussprechen konnte, gegen andere ausgetauscht wurden, die sie dann aussprechen konnte. Zu Beginn unserer Lesungen sagt Rudi immer, dass Julie im zarten Alter von 73 vor 9 Monaten angefangen hat, Deutsch zu lernen. Offensichtlich hat sich das alles bezahlt gemacht, den nach jeder Veranstaltung gratulieren Leute zu ihrem Mut und bewundern ihr Können. Sie reden mit ihr. Auf Deutsch. Und Julie hat kaum eine Ahnung, was sie eigentlich sagen.
Julie und Rudi bescheiben ihre Buchtour in Deutschland mit ihrem Roman Der Stolperstein. Ihr momentanes Hotelzimmer ist in Österreich mit Blick auf Hitlers ehemaligen „Adlerhorst“