Eine sieben-wöchige Buchtour!
Was habe ich mir eigentlich gedacht?
Von Julie Freestone
In unserem Buch Der Stolperstein enhält eine Szene, die so ziemlich gut beschreibt, was mir duch den Kopf ging als ich, Tochter jüdischer Einwanderer aus Osteuropa, die in der Bronx in New York aufwuchs, in Deutschland ankam.
Nachdem wir einen Eiskaffee auf einer Terrasse getrunken
hatten, gingen wir wieder zum Bahnhof, um unsere Koffer zu holen. Als wir auf den Zug nach Heidelberg warteten, hörte ich die Lautsprecherdurchsagen zu Ankunften, Abfahrten und Gleisnummern. Ich sah Menschen, die es eilig hatten und jeden Blickkontakt vermieden. Ich erinnerte mich an alte Kriegsfilme, in denen sich Gestapo-Männer – natürlich getarnt – an öffentlichen Plätzen aufhielten. Für mich war das Ganze furchterregend und es wurde noch durch die von den Lautsprechern verzerrten deutschen Ansagen verstärkt. Mein Leben wäre in Gefahr gewesen, dachte ich, lehnte mich an Karl und schloss die Augen.
(Auszug aus unserem Roman Der Stolperstein)
In ein paar Wochen, am 25. April, brechen wir für einen sieben-wöchigen Trip nach Deutschland auf. Wir haben einen Plan für eine Lesungsreise an 16 verschiedenen Orten für die deutsche Übersetzung unseres Romens Der Stolperstein. Fünfzehn Lesungen sind auf Deutsch, eine Sprache, die ich nicht spreche. Seit September, besonders aber in den letzten paar Wochen habe ich Deutsch geübt, besonders aber die Passagen, die ich lesen werde. Und das alles bei einer Fahrt durch ein Land, das ich früher nicht bereisen wollte.
So, was ist denn eigentlich passiert?
Wie ist es dazu gekommen, dass ich mich darauf eingelassen habe? Liebe, Romantik, Impuls, Abenteuer. Sie entscheiden es, hier ist die Story. (Vieles davon findet sich im Anfang unseres Buches.)
Ich habe Rudi 1989 getroffen als ich Journalistin war und er Polizist. Ich hatte nicht geplant, mit ihm auszugehen. Ich mochte Polizisten nicht. Ich mochte auch seinen Deutschen Akzent nicht.Ich hatte auch nicht geplant nach Deutschland zu reisen um seinen Nazi-Vater kennenzulernen. Ich hatte auch nicht geplant, mit Rudi in einem Haus zu wohnen, wo die Bilder meiner jüdischen Familie an der Wand, gegenüber von denen seiner Deutschen Eltern, Tanten Onkel, und Großväter hengen. Was aber fehlt ist ein Bild seines Onkels Gerhard als Erwachsener. Er war ein Schatten, von dem wir fast nichts wußten.
Als wir unser Buch anfingen, was es eigentlich nur ein Spiel. Zuerst war es eine Spionagegeschichte. Danach wurde es zu einem Polizei-Schinken. Wir hatten nicht geplant, Dokumentenforschung zu betreiben, Familienpapiere zu untersuchen, an das Internationale Rote Kreuz zu schreiben, das KZ Buchenwald zu besuchen, oder ein schriftliches Denkmal für Gerhard zu schaffen.
Wir haben Friedrich und Rebecca getroffen.
Nach 25 Jahren Arbeit ist unser Spiel zu einem Roman geworden. Die Amerikanische Version wurde 2015 veröffentlicht. Nach zwei Jahren von Buchlesungen trafen wir Friedrich Edelmann, pensionierter Fagottist der Münchener Philharmoniker, und seine Frau Rebecca, professionelle Cellistin, die Jüdin ist und aus Kalifornien stammt.
Friedrich hat hier in Amerika ein Buchgeschäft davon überzeugt, eine Lesung zu veranstalten, bei der Rudi und ich Auszüge unseres Buches lesen und Friedrich und Rebecca Musik jüdischer Komponisten spielen, die vor den Nazis fliehen mußten.
Angespornt durch die erfolgreiche Veranstaltung, schlug Friedrich vor, dass wir das in Deutschland wiederholen sollten. Ich war sofort dafür. (Im Rückblick hatte ich mir nicht vorgestellt, wieviel Arbeit dahinter steckt; wie ich es fertigbringen sollte, meine Teile auf Deutsch zu sprechen, wieviel Mühe die einzelnen Details bereiten würden.)
Und dann hat Rudi trocken festgestellt, das unser Buch auf Englisch ist. Nicht gerade ein Geschäftplan der in Ausland erfolgreich sein könnte.
Manche Leute sagten und, dass das alles Zeitverschwendung wäre. Das alles sei doch alte Geschichte und niemand kümmert sich in Deutschland mehr. Unsere wunderbare Deutsche Lektorin Isolde Haug Schönhaar sagte aber, dass diese Geschichte nun doch immer wichtiger wird. Sie hat auf Bezahlung verzichtet und sagte, dass Deutschland eine Schuld trägt. Sie würde einen Teil davon abtragen indem sie uns kostenlos hilft, unser deutsches Buch zu beenden.
Ein Jahr später, mit Blut, Schweiß und Tränen von Rudi (und mit Augenrollen und Schimpfen) hatten wir dann schließlich unseren fertigen deutschsprachigen Roman.
Sechzehn Veranstaltungen!
Networking (eine Verweisung zu enem Kontakt in Leipzig durch einen neuen Freund), großes Glück ( ein zufälliges Treffen mit einer Deutschen auf einem Parkplatz in Baker, Nevada) und harte Arbeit von Friedrich resultierte in in einen erstaunlichen Reiseplan, der uns von einem Ende Deutschlands zum anderen bringen wird. Wir werden Veranstaltungen in Synagogen, Kirchen, Schulen, Bücherläden, und auch in einem Bauernaus haben. Wir werden in Leipzig sein, wo Rudis Vater und sein Bruder Gerhard aufwuchsen. Wir werden auch in Hamburg sein, wo Rudi und ich 1950 als Kinder 8 Kilometer voneinander entfernt wohnten.
Es wird ein Abenteuer, eine Herausforderung, und hoffentlich ein Erfolg sein. Unterwegs werden wir schreiben und posten. Bitte folgen Sie uns.
Dieser Blog erschien zuerst auf Englisch und wurde dann von Rudi Raab übersetzt
Julie Freestone und Rudi Raab haben Der Stolperstein geschrieben. Es ist die Geschichte einer zufälligen Liebe und eines jungen Deutschen, der tapfer genug war, sich den Nazis zu wiedersetzen. Das Buch ist jetzt auf Deutsch erhältlich. Bitte clicken Sie hier für weitere Information über die Buchtour.