Ein evangelischer Pfarrer zeigt den Weg
Buchtourstopp Ulm 14. Mai 2018
Einige Leute planen ihren Lebensweg durch den Einfluß ihrer Eltern. Alle Kinder Johann Sebastian Bachs aus zwei Ehen wurden bedeutende Komponisten. Martin Traenkle, 76, wuchs nach dem 2. Weltkrieg auf. Sein Vater war tot und seine Mutter, die überzeugte Nationalsozialistin war, erzog ihn und seine drei Schwestern mit eiserner Hand.
Martin sagte, dass Juden in seiner Familie nie erwähnt wurden und so beschloß er, einige kennenzulernen. Wie viele seiner Entschlüsse hat seine Mutter das bedauert. Er besuchte als Zuschauer die Gerichtverhandlungen in Stuttgart, wo viele Nazis zur Verantwortung gezogen wurden. Er war empört, wie der Richter die Zeugen behandelte, die zum Teil von Israel angereist waren.
Reisen nach Israel
Trotz des Wiederstandes seiner Mutter reiste er mit einer Jugendgruppe nach Israel. Der Konflikt mit seiner Mutter führte zu tiefen Depressionen. In der Nähe von Haifa, auf einem Kibbutz erholte er sich dann langsam, als er für sieben Wochen Orangen und Oliven erntete. Dieses Erlebnis änderte sein Leben.
Er wurde evangelischer Pfarrer, lernte Alt- und Neuhebräisch und zog nach Ulm um, der Geburtsstadt von Albert Einstein.Während er als Seelsorger für eine kleine Kirche in der Gegend für 25 Jahre arbeitete, wurde er zum Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ernannt und machte noch weitere 10 Reisen nach Israel.
Der Koflikt mit seiner Mutter ging sein ganzes Leben weiter. Er hat uns von den Konflikten erzählt.: Sie debattierten, ob am 8. Mai 1945, als Deutschland bedingungslos kapitulierte, das eine militärische Niederlage war oder eine Befreiung. Seine Mutter glaubte immernoch an Hitler, als sie am 8. Mai 1985 starb.
Eine einmalige Führung
Die Führung durch die gothische Kirche war einzigartig. Er zeigte uns das einmalige Fenster, das das „Israel-Fenster“ heißt. Er las uns ein Gedicht vor, das er anläßlich der Weihung des Fensters 1985 verfaßt hatte. Er zeigte uns auch die Kanzel, von der der erste Jude, der dort gepredigt hat und zitierte aus dieser Predigt: „Bedenkt immer, dass die Anführer der Nazis getaufte Christen waren.“
Zurück aber zum Israel-Fenster: Es ersetzte das sogenannte „Kaiserfenster“, das den Bombennächten des 2. Weltkieges zum Opfer fiel. Der evangelische Pfarrer des Domes war führend in dieser oft debattierten Kontroverse. Das Fenster selbst zeigt eine Reihe von jüdischen Symbolen, wie eine Menora, den brennenden Busch und ganz unten die jüdischen Opfer der Nazis mit den Worten Auschwitz, Bergen-Belsen und Treblinka.
Martin berichtete von dem Auf und Nieder der jüdischen Gemeinde von Ulm, die oft aus der Stadt vertrieben wurde und erst 1870 gleichberechtigte Bürger wurden und es blieben, bis Hitler kam. Martin zeigte uns jüdische Grabsteine, die die Kirche vor der Schändung schützte, indem sie als Steine in den Bau der Kirche aufgenommen wurden. In der ältesten Kapelle rechts von Chor deutete er auf ein hochmittelalterliches Fenster in dem ein arbeitender Jude in der damals üblichen Bekleidung zu sehen war.
Mit lauter klarer Stimme sang er dann das alte hebräische Todesgebet, das durch den Dom hallte. Kein Wunder, denn er sang im Kirchenchor für 32 Jahre, bis er anfing, Oboe zu spielen.
Unsere Lesung selbst fand in der vor drei Jahren neuerbauten Synagoge unter strengen Sicherheitsbestimmungen statt. Wir mußten unsere Reisepässe mitbringen und wurden von einem muskulösen Wächter auf mögliche Waffen untersucht. Martin hat uns dort mit großem Enthusiasmus vorgestellt.
Julie Freestone und Rudi Raab befanden sich auf einer Buchtour durch Deutschland, mit der deutschen Version ihres Romanes Der Stolperstein.