Eine neue Frage wird gestellt: Sippenhaft
Buchtour Stopp: Landau/Pfalz 15. Mai 2018
Unsere heutige Lesung fand im Frank-Loeb`schen Haus statt, dem Haus von Anne Franks Urgroßvater. Einige der Freiwilligen, die mitgeholfen hatten, das Haus zu restaurieren, waren im Publikum während der Lesung. Der Saal selbst beherbergte im Moment eine Ausstellung von Anti-Kriegs- und Anti-Faschismus Plakaten. Leider durften wir sie nicht fotografieren.
Etwa eine halbe Stunde vor Beginn hatten wir den üblichen Streß auf zwei Fronten. Konnte der Beamer für unsere Powerpoint Präsentation gefunden werden? Und war der Beamer passend zu unserem Laptop? Und natürlich: Wie gut war die Ankündigung und wieviel Leute kommen, uns zu hören?
Zum Glück: Der Beamer wurde schließlich gefunden, war aber veraltet und paßte nicht zu unserem Computer. Kein Problem. Professor Timo Werner von der Universität Koblenz und Leiter des Frank-Loeb Instituts für Politische Wissenschaften am Landau Campus fand einen veralteten Laptop, der zum Beamer paßte.
Was hat Rudis Vater getan?
Und dann kam das Publikum. Und dann kamen noch mehr, bis der Saal voll war.Wir gaben unsere Standard-Präsentation, begleitet von Friedrichs und Rebeccas Musik. Als wir am Ende waren, gingen die Fragen sofort los. War der Alte, Rudis Vater, verantwortlich für Gerhards Tod an Händen der Gestapo? Und wäre er nicht in der Lage gewesen, ihn zu retten?
Das ist für uns eine schwere Frage, auf die es keine richtige Antwort gibt. In unserem Roman Der Stolperstein haben wir das bewußt nicht angefaßt, denn wir haben nicht genug Quellen, um eine Antwort zu finden. Was wir aber wissen ist, dass Rudis Vater weiter befördert wurde und mächtiger wurde, als sein Bruder im Konzentrationslager war und schließlich ermordet wurde.
Was aber mit der Sippenhaft?
Jemand stellte eine neue und tiefgreifende Frage über die Sippenhaft. Nach altem Germanischen Brauch (bevor das Römische Kirchenrecht angenommen wurde) gab es die Sippenhaft, bei der die Verwandten auch gleich für Gesetzesverstöße haftbar sind, einen allgemein annerkannten Brauch.
Die Nazis haben dieses Konzept wiedererweckt, um Eheleute und Familienmitglieder auch zu verfolgen, zu verhaften und manchmal auch hinzurichten. So, wie es die Nazis es anwanden, konnten sie fast jeden einsperren und hinrichten, ohne einen Prozess zu veranstalten.
Offensichtlich ist das bei Gerhard nicht geschehen—sein Bruder war ein Nazi von hohem Rang und sein Vater war ein Inspekor der Polizei in Leipzig. Man fragt sich warum nicht?
Ist es das Gefühl der Schuld?
Möglicherweise ist es die Frage der Schuld. Wir stoßen auf starkes Intersse auf dieser Buchtour in der Suche nach Verantwortlichen. Nicht nur das Rätsel, was sein Vater gewußt hatte und warum er nichts getan hat, Gerhards Schicksal zu verhindern, sondern auch was die Deutschen im Allgemeinen wußten und warum sie keinen Wiederstand geleistet hatten. Das ist sicherlich ein Thema, mit dem manche Familien heute noch kämpfen.
Ein ganz oberflächliches Thema auf unserer Tour, zwischen den verschiedenen Geschichten, die uns erzählt wurden und dem Echo, das wir finden, ist die banale Sorge, ob wir genug Bücher dabei haben. Hier in Landau hatten wir nur noch sieben Exemplare. In wenigen Minuten waren die ausverkauft. Rudis Neffe wird uns aber in Dortmund mit zwei weiteren Kartons voll Bücher treffen. Wir hatten sie per Eilpost zu Beginn unserer Tour nachbestellt und an ihn schicken lassen.
Rudi Raab und Julie Freestone waren auf einer Buchtour mit ihrem Roman Der Stolperstein. Hier ist ein Link zu dem Zeitungartikel, der nach der Lesung erschien. DIE RHEINPFALZ May 19th 2018 003